Wald-Argument

Prototypische Formulierung

Kinder benötigen Naturerlebnisse. Sie sollten eher in den Wald, statt vor dem Computer zu sitzen.

Beispiele

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Leserbrief in der NZZ am Sonntag, 28.10.2012

Das Wissen lässt sich, wie ein Junglehrer schwärmte, ohne grossen Aufwand per Knopfdruck oder Aufwischen ins Klassenzimmer holen: digitale Pseudo-Realität statt realer Natur. Und wie soll aus diesem Unterricht nachhaltiges und umweltgerechtes Verhalten entstehen, wie es der Lehrplan 21 so intensiv fordert? Was prägen und bleiben soll, muss zum Erlebnis werden. Das geht nicht über abstrakte Distanz, über Hors-sol-Beziehungen, das geht nur über gelebte Nähe.
Carl Bossard (2017) Mut zum Gegenläufigen. Biblionetz:t20187

Vor lauter digitalen Lernprogrammen darf eines nicht vergessen werden: Echte Erfahrungen sind nicht simulierbar und auch nicht an Arbeitsblätter delegierbar. Sie finden draussen in der Natur statt, in einem lebensnahen Naturunterricht. Noch immer gilt die alte Einsicht des Thomas von Aquin: „Nihil est in intellectu, quod non fuerit prius in sensu.“ Es gibt keine Erkenntnis, die zuvor nicht in den Sinnen war.
Carl Bossard (2017) Mut zum Gegenläufigen. Biblionetz:t20187


Quelle: https://twitter.com/mediendidaktik_/status/956892449800118272

Verwandte Argumente

  • Realitäts-Argument: Die Kinder brauchen reale Erfahrungen, virtuelle würden sie überfordern.
  • Natur-Defizit-Syndrom: Richard Louv nennt dieses Phänomen in seinem Buch "Child in the Woods" "Natur-Defizit-Syndrom". Kinder die praktisch ohne jeden Kontakt oder Interaktion mit der Natur aufwachsen. Er zitiert einen Viertklässler mit den Worten: "Ich spiele lieber drinnen, weil da die Steckdosen sind."

Gegenargumente

  • Standard-Antwort: Es geht nicht um ein entweder-oder, sondern um ein sowohl-als-auch
  • Mit diesem Argument wird der Kindergarten / die Primarschule romantisiert dargestellt. Auch in den letzten 50 Jahren waren die Kindergärtner und Primarschüler nicht dauernd im Wald. "Wenn es wirklich so gewesen wäre, dass alle früher Baumhütten gebaut hätten, dann wäre der Wald voll Baumhütten" (Quelle: Stefan Aufenanger oder Dieter Baacke).
  • Es gibt Aspekte des Waldes, die man als Kind und vor allem als Schulklasse nicht im Wald erfahren wird: So wird ein Kind oder eine Schulklasse vermutlich sehr selten einen Fuchs oder ein Reh im Wald antreffen.

Quellen

  • Richard Louv, Last Child in the Wood: Saving Our Children from Nature-Deficit-Disorder, Chapel Hill, NC: Algonquin Books of Chapel Hill 2005. S. 10 (Biblionetz:b05042)

-- BeatDoebeli - 20 Sep 2011 -- MarcPilloud - 5 Okt 2011

Diskussion

Wenn Kinder sich dauernd im Wald aufhalten, werden sie sehr gut für die Umgebung der Natur geschult. Wenn sich die Kinder dann aber im urbanen Umfeld bewegen, sind sie darauf nicht so gut vorbereitet.

-- WikiGuest - 24 Nov 2019

Nur der Wald ist Wald, Bilder vom Wald sind Bilder, also ein Modell. Mir geht es um den Unterschied zwischen Modell und Wirklichkeit. Es gibt zwar immer mehr rein digitale Wirklichkeiten, das sehe ich ein, aber die "alten", physischen Wirklichkeiten bleiben bestehen und sollten auch in ihrer physischen Form kennengelernt werden. In der Schule ist das natürlich schwierig umsetzbar, weil man nicht sämtliche physische Wirklichkeit in ein Klassenzimmer holen kann. Aber sobald dies irgendwie möglich ist, sollte man die Gelegenheit nutzen. Für alles andere sind digitale Medien letztlich nur eine zusätzliche Möglichkeit, um ein Modell der Wirklichkeit in das Klassenzimmer zu bringen. Oft ist es aber eben so, dass die digitalen Modelle der Wirklichkeit deutlich näher kommen können als rein analoge Modelle. Das hat sicher Vorteile, birgt jedoch die Gefahr, dass man zwischen solchen guten digitalen Modellen und der Wirklichkeit dann immer schwerer unterscheiden kann.

-- WikiGuest - 22 Nov 2021

Mit Zugriff auf das Internet kann man viel über den "Wald" lernen und das dann auch gleich genauer anschauen oder etwas überprüfen.

-- WikiGuest - 26 Jul 2023
 

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