Kinder sollen noch Kinder sein dürfen. Computer kommen später früh genug.
Wieso man entwas ändern sollte
Als erstes sollte gesagt sein, dass das Kindheits-Argument wie viele anderen Argumente durch Unwissen und Vorurteile geprägt ist. Viele Kinderforscher argumentieren, dass die heutigen Kinder in einer Medienwelt aufwachsen. Jedoch hat ihre Forschung nicht viel zur Auseinandersetzung mit der Medienaneignung beigetragen (Schorb, 2001, S. 21)Bis heute gibt es keine gültige Untersuchung die beweist, dass sich kompetente und adäquate frühkindliche Medienerfahrungen negativ auf die Entwicklung, das Lernverhalten oder die Aufmerksamkeit des Kindes auswirken. Gegen dieses Argument spricht sich unter anderem auch Prof. Stefan Aufenanger, Medienpädagoge an der Universität Mainz aus. Er bekräftigt, das schon dreijährige Kinder am Computer kreativ sein können. In dem von ihm durchgeführten Studie hat sich gezeigt, dass "Kinder schon mit drei jahren sehr konstruktiv und produktiv sein können, wenn der Computer im Kindergarten in ein pädagogisches Projekt eingebunden ist."
*Mediensozialisation - Der Unterschied zwischen früher und heute
Noch nie haben sich Technologien und die Gesellschaft so schnell weiterentwickelt wie heute. Der Markt wird täglich überflutet mit neuen Produkten, viele davon sind Medien. Daher wird es immer schwieriger, Gutes von wenigerem Gutem zu unterscheiden. Gleichzeitig entstehen neue Gefahren, die es vor dem Medienzeitalter nicht gab. Daher braucht es heute viel mehr Medienkompetenz als früher, wo es nur das Buch gab. In der Erziehung sollte man diese Entwicklung nicht einfach ausser Acht lassen. Ansonsten werden die Kinder auf einmal ins kalte Wasser geworfen und sie werden total überfordert sein in der Flut von neuen Medien und hilflos den Gefahren ausgesetzt. Nach Moser (2006 S.28-33) sind die Kinder heute von wirklichen und fiktiven Welten umgeben. Sie gehen offener mit fiktiven Welten um als die Erwachsenen, die in ihrer noch keine digitalen Medien zur Verfügung hatten. Es ist unzureichend die damaligen pädagogischen Prinzipien auf die Gegenwart zu übertragen, da sich die Umwelt, die Menschheit sowie die Technologien stark verändert haben. Die negativen Seiten des Medienkonsums werden nach Moser (2006) überbewertet. Die Bewahrpädagogik ist auch für Schächter (2001, S. 110) die falsche Strategie. Für ihn ist es notwendig, das vorherrschende Medien- und Kindheitsbild aufzubrechen und neu zu reflektieren. Nach ihm sind es vor allem die Ängste der Erwachsenen über Kontrollverlust ihrer Kinder und ihrer Vorstellung von der Macht der Bilder, die dieses Verhalten gegenüber neuen Medien erzeugen. Identitätssuche, Balance, Geborgenheit, Orientierung, Autonomie und Erlebnisdrang, Wünsche und Bedürfnisse wird immer mehr im Umgang mit neuen Medien möglich. Nach Schächter (2001, S. 111) werden Medien zu einem Teil der Kindheit und somit ein wichtiger Teil von "Kinderkultur".
Den Kindern neue Spiel- und Lernangebote ermöglichen
Kinder spielen gerne. Sei es mit Spielzeugautos, Klötzen, Puppen usw. Der Spieltrieb der Kinder ist fast unersättlich. Kinder lernen zudem sehr schnell. Sie durchlaufen in ihren ersten Lebensjahren sowie in der späteren Kindheit viele sensible Phasen, in denen sie besonders aufnahmefähig für gewisse Informationen und Tätigkeiten sind. Neue Medien bieten ein facettenreiches Zusatzangebot für Kinder. Heute gibt es viele qualitativ hochwertige und altersgerechte Lernprogramme und Lernsoftware fürs Vorschulalter, die Kinder auf die Schule vorbereiten können. Je nach interessen können das spezifische Gebiete sein oder einfach Gehirntraining und Allgemeinwissen. Da das Lernen spielerisch geschieht, haben die Kinder viel Spass dabei und merken nicht einmal, dass sie dadurch vil neues Wissen erwerben. Für Kindergarten- und Schulkinder gibt es eine große Auswahl an Lern- und Spiele-Apps, die altersgerecht aufbereitet sind und spielerisch beim Lesen, Schreiben oder Rechnen unterstützen.
Wir müssen Kinder auf die Zukunft vorbereiten
In der heutigen Berufswelt wird zunehmend Medienkompetenz vorausgesetzt. Diese kann nur durch eine adäquate Mediensozialisation geschehen. Mediensozialisation beginnt schon im Kleinstkindalter, beim Betrachten des ersten Bilderbuches. Warum sollten wir also den Kindern die neuen Medien verweigern? Umso später mit der Mediensozialisation neuer Medien beginnen, desto grösser ist das Defizit, desto schwieriger wird es, denn Rückstand aufzuholen. Je früher begonnen wird, die Kinder auf Chancen und Gefahren der neuen Medien zu sensibilisieren, desto kompetenter und verantwortungsvoller können sie damit später umgehen. Ein sinnvoller Medienumgang sollte daher schon in der Familie erlernt werden. Die Eltern nehmen dabei eine Vorbildrolle ein. Zugleich können Eltern viel Spannendes von den Kinder im Umgang mit Medien lernen. Das soll nicht heissen, dass sich Kinder in ihrer Freizeit nur noch mit Medien beschäftigen. Wichtig ist, dass das Kind in seiner Freizeit eine Vielzahl von Tätigkeiten nachgeht. Beim Umgang mit Medien sowie der Medienwahl sollten die Interessen der Kinder aber berücksichtigt werden. Angesichts enger Stundenpläne und gestiegener Anforderungen in der Schule sollten Eltern darauf achten, dass ihren Kindern genug Freiräume bleiben, um sich mit anderen zum Spielen zu treffen, Hobbys zu pflegen oder einfach nur auszuspannen. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Nutzung von Medien wie Internet, Computerspiele, Fernsehen und Handy mit klaren zeitlichen Vorgaben in den Tagesablauf eingebunden wird.
Warum es zu Konflikten kommt bei der Mediennutzung
Es kommt oft erst zur problematischen Mediennutzung, wenn die Mediensozialisation unzureichend oder nicht stattgefunden hat. Wenn die Kinder erst im Verlauf der Schulzeit in ihrer Medienkompetenz geschult werden, kann es schon zu spät sein. Denn die heutigen Kinder kommen schon viel früher mit neuen Medien in Kontakt, sei es mit einer Spielkonsole oder am Computer zu Hause. Für Moser (2006, S.68 ff.) ist heute die Aneignung von Medienkompetenz unumgänglich. Wenn die Kinder schon früh einen geregelten Umgang mit Medien kennenlernen, haben sie später eher die Kontrolle über ihren Mediengebrauch. Umso wichtiger ist die Medienerziehung in der Familie. Eltern können problematischem Verhalten vorbeugen, indem sie von Beginn an in der Familie Regeln vereinbaren, wie lange ihre Kinder im Netz surfen und am PC spielen dürfen und ihr Kind dabei unterstützen, diese Regeln selbst einzuhalten. Bei der Festlegung der Zeiten sollten auch die anderen Medien wie Fernsehen oder Computerspiele berücksichtigt werden. Insgesamt sollte sich die gesamte Mediennutzung am Tag nach Richtwerten orientieren.
Peers
Auch Kinder und Jugendliche leben mit der Vielfalt der Medien und nutzen diese aktiv für ihre Bedürfnisse, zum Beispiel um sich mit anderen auszutauschen, zur Unterhaltung, als Zeitvertreib, zur Entspannung oder auch, um sich zu informieren. Peers werden im Verlauf der Entwicklung immer wichtiger.Die Identifikation mit einer Gruppe ist ein zentraler Prozess in den Jugendjahren. Jugendlich orientieren sich immer mehr an ihren gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen. Wenn das Kind zu Hause keine Medien zur Verfügung hat, kann sich das auch negativ auf die auswirken. Schliesslich will jeder in seinem Freundeskreis "mitreden" wollen. Der Kommunikationswunsch ist in diesem Alter sehr wichtig. Wenn auf dem Pausenplatz über das neuste App oder eine Fernsehsendung gesprochen wird, kann es frustrierend sein, wenn man keine Ahnung davon hat.
Heutiges Konsumverhalten
Eine im Jahr 2005 durchgeführte Studie (Richter & Plath, 2005) hat ergeben, dass das Fernsehen zum Leitmedium der gesamten Bevölkerung geworden ist. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Zwei drittel der Kinder sehen mehrere Sendungen am Tag. Dabei steigt der Konsum im zunehmenden Alter. Jetzt könnte argumentiert werden, dass sich dieser Trend negativ auf die Gesundheit der Kinder auswirken kann und das Konsumverhalten noch zunehmen wird. Die Studie zeigt jedoch auch, dass als beliebteste Freizeitaktivitäten nach wie vor die sportliche Betätigung ist und zwar bei beiden Geschlechtern. Dies hat auch die KIM Studie von 2010 bestätigt (siehe Grafik). Eine schweizweite Untersuchung vom Bundesamt für Statistik hat ergeben, dass das Konsumverhalten von Kinder bis 16 Jahren zwischen 1995 und 2009 kaum angestiegen ist. Beim Konsumverhalten gibt es jedoch eine Altersgrenze nach unten. Kinder unter drei Jahren können digitale Medien nicht genügend verarbeiten. Die schnellen Bilder und Töne können sie nur unzureichend einordnen und verstehen. Daher ist von einem digitalen Mediengebrauch unter drei Jahren abzuraten.
- 98% der Familien besitzen TV -→ fast jedes Kind konsumiert zu Hause (Richter & Plath, 2005)
Anschliessend finden Sie noch einige interessante Links zu diesem Thema:
http://www.kindergartenpaedagogik.de/2080.html
Tipps und Ratgeber zur Medienerziehung
http://schau-hin.info/
http://www.medienbildung.ch/webautor-data/23/Tipps-zur-Medienerziehung-Tilemann_Suter.pdf
Literaturverzeichnis
Hoffmann, D., & Lothar, M. (2007). Mediensozialisationstheorien. Neue Modelle und Ansätze in der Diskussion. Wiesbaden: GWV Fachverlage.
Moser, H. (2006). Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter. Wiesbaden: GWV Fachverlage.
Richter, K., & Plath, M. (2007). Lesemotivation in der Grundschule. Empirische Befunde und Modelle für den Unterricht (2. Ausg.). Weinheim, München: Juventa Verlag.
Schächter, M. (2001). Reiche Kindheit aus zweiter Hand? Medienkinder zwischen Fernsehen und Internet. München: kopaed.
Six, U., Frey, C., & Gimmler, R. (1998). Medienerziehung im Kindergarten. Opladen: Leske + Budrich.
2010, m. K.-S. (22. Oktober 2012). Über uns: Medienpädagogischer Forshcungsverband Südwest. Von Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest:
http://www.mpfs.de/index.php?id=475 abgerufen